Sie hat das Glück in eine Reihenfolge gebracht. Einer der glücklichsten Momente ihres Lebens war es demnach, als sie spät in der Nacht die Lichter Venedigs in ihrem Zugfenster aufleuchten sah, im Jahr 1960. Die Grenzen zwischen dem Osten und dem Westen Europas waren geschlossen, es war ihre erste Italienreise, und ihr Pass wurde bald wieder eingezogen. Als die ungarische Philosophin Ágnes Heller, deren Werk die Aufmerksamkeit für das mögliche Glück durchzieht, diese Episode in ihrem Buch Eine kurze Geschichte meiner Philosophie aufschrieb, war sie fast achtzig. Jemand hatte sie nach dem glücklichsten Moment gefragt, doch sie bog ab und wählte stattdessen den “fünftglücklichsten”, wie sie schreibt, die Lichter Venedigs. Im Alter von 88 Jahren dann, in ihrem autobiografischen
Topics:
Lars Pålsson Syll considers the following as important: Politics & Society
This could be interesting, too:
Lars Pålsson Syll writes Riksbankens oansvariga penningpolitik
Lars Pålsson Syll writes Tillsätt en krisgrupp för järnvägen
Lars Pålsson Syll writes The victims of honour culture
Lars Pålsson Syll writes Ekonomisk politik och finanspolitiska ramverk
Sie hat das Glück in eine Reihenfolge gebracht. Einer der glücklichsten Momente ihres Lebens war es demnach, als sie spät in der Nacht die Lichter Venedigs in ihrem Zugfenster aufleuchten sah, im Jahr 1960. Die Grenzen zwischen dem Osten und dem Westen Europas waren geschlossen, es war ihre erste Italienreise, und ihr Pass wurde bald wieder eingezogen. Als die ungarische Philosophin Ágnes Heller, deren Werk die Aufmerksamkeit für das mögliche Glück durchzieht, diese Episode in ihrem Buch Eine kurze Geschichte meiner Philosophie aufschrieb, war sie fast achtzig. Jemand hatte sie nach dem glücklichsten Moment gefragt, doch sie bog ab und wählte stattdessen den “fünftglücklichsten”, wie sie schreibt, die Lichter Venedigs.
Im Alter von 88 Jahren dann, in ihrem autobiografischen Buch Der Wert des Zufalls, erzählt sie aber doch noch vom “glücklichsten Augenblick meines Lebens”, der am 16. Januar 1945 kam. Sie war in diesem letzten Kriegswinter 15 Jahre alt, drei Mal war sie als ungarische Jüdin der Deportation und den Erschießungskommandos am Ufer der Donau nur zufällig entkommen, und zuletzt war sie im Ghetto von Budapest dem Verhungern nah, als sie plötzlich einen Soldaten über den Hof kriechen sieht, mit einem roten Stern an der Mütze. Ein Russe! Für das Mädchen bedeutete der Einmarsch der sowjetischen Armee seine zweite Geburt. Ein jüdischer russischer General schloss ihr einen Kartoffelkeller auf und eine Wohnung mit Büchern. Später erfuhr sie, dass wohl am selben Januartag ihr Vater in Auschwitz starb. Von den engen Freunden der Budapester Kindheit, wird sich bald zeigen, ist sie die Einzige, die den Mord an den Juden überlebt.