1968 — Die ganze Welt in Aufruhr Nicht nur ideenpolitisch war Amerika der große Speicher, aus dem sich die Gesellschaftskritik fast überall im Westen bediente. Auch hinsichtlich der Formen und Techniken des Protests wuchs dem »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, von dem man damals noch ohne viel Sarkasmus sprach, eine Vorreiterrolle zu. Die Sit-ins im Süden der USA, mit denen sich seit 1960 eine junge Generation von Schwarzen (ihrerseits unter Berufung auf den gewaltlosen Widerstand eines Mahatma Gandhi) gegen die nicht enden wollenden Apartheidstrukturen wehrte, prägten vier Jahre später auch in Berkeley das Bild: als an der kalifornischen Eliteuniversität das Free Speech Movement entstand – die, wie man zu Recht gesagt hat, »Mutter aller
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Lars Pålsson Syll considers the following as important: Politics & Society
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1968 — Die ganze Welt in Aufruhr
Nicht nur ideenpolitisch war Amerika der große Speicher, aus dem sich die Gesellschaftskritik fast überall im Westen bediente. Auch hinsichtlich der Formen und Techniken des Protests wuchs dem »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, von dem man damals noch ohne viel Sarkasmus sprach, eine Vorreiterrolle zu. Die Sit-ins im Süden der USA, mit denen sich seit 1960 eine junge Generation von Schwarzen (ihrerseits unter Berufung auf den gewaltlosen Widerstand eines Mahatma Gandhi) gegen die nicht enden wollenden Apartheidstrukturen wehrte, prägten vier Jahre später auch in Berkeley das Bild: als an der kalifornischen Eliteuniversität das Free Speech Movement entstand – die, wie man zu Recht gesagt hat, »Mutter aller Studentenrevolten«.
Seit den Tagen und Nächten auf dem Campus von Berkeley entfaltete sich das Repertoire der Protestformen. Go-ins und Teach-ins gingen als Begriff und Praxis um den Globus, ebenso wie die bereits unter den Free-Speech-Aktivisten herangereifte Gewissheit, dass niemandem über dreißig zu trauen sei. Und spätestens seit dem Summer of Love in San Francisco (1967) gesellten sich zu den politischen auch die psychedelischen Happenings: die Be-ins, Love-ins und dergleichen mehr.
Diese Vermischung von Popkultur und Politik, die Entgrenzung des Politischen – im Deutschen unter der Parole »Alles ist politisch« –, gehörte zu den weltumspannenden Charakteristika der »unruhigen Jahre«. Sie war sowohl ein Produkt jener Mentalität der Nachkriegsjahrzehnte, von der in der Zeitgeschichtsschreibung inzwischen unter dem Stichwort Cold War Culture die Rede ist, als auch eine Antwort darauf.