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Die Schuldenbremse — muss das wirklich sein?

Summary:
Die Schuldenbremse — muss das wirklich sein? Schulden abzubauen gilt als generationengerecht. Schließlich, so das Argument, reduziere das die Zinslast zukünftiger Generationen. Das klingt nachvollziehbar, in der Realität ist es aber etwas komplizierter. Weniger Schulden sind nicht gleichbedeutend mit einer geringeren Zinslast. Denn zum einen genießt der Bund zeitweise ein ganz besonderes Privileg: Er zahlt nicht für seine Schulden, sondern wird dafür bezahlt. Von 2012 bis 2023 lag der Zins auf zehnjährige Staatsanleihen unter der Inflation. Der Bund verdiente mit jeder ausgegebenen Staatsanleihe Geld, Investoren zahlten dafür, Bundesanleihen halten zu dürfen. Weniger Schulden waren zwischen 2012 und 2023 nicht gleichbedeutend mit einer geringeren

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Die Schuldenbremse — muss das wirklich sein?

Die Schuldenbremse — muss das wirklich sein?Schulden abzubauen gilt als generationengerecht. Schließlich, so das Argument, reduziere das die Zinslast zukünftiger Generationen. Das klingt nachvollziehbar, in der Realität ist es aber etwas komplizierter. Weniger Schulden sind nicht gleichbedeutend mit einer geringeren Zinslast. Denn zum einen genießt der Bund zeitweise ein ganz besonderes Privileg: Er zahlt nicht für seine Schulden, sondern wird dafür bezahlt. Von 2012 bis 2023 lag der Zins auf zehnjährige Staatsanleihen unter der Inflation. Der Bund verdiente mit jeder ausgegebenen Staatsanleihe Geld, Investoren zahlten dafür, Bundesanleihen halten zu dürfen. Weniger Schulden waren zwischen 2012 und 2023 nicht gleichbedeutend mit einer geringeren Zinslast, sondern mit einem geringeren staatlichen Gewinn.

Aber selbst wenn der Bund Zinsen zahlt, ist nicht klar, ob weniger Schulden die Zinslast senken. Ob das so ist, hängt vom Verhältnis von Zins und Wirtschaftswachstum ab: Mal angenommen, der Staat zieht pro 100 Euro Wirtschaftsleistung einen Euro Steuern ein, um damit seine Zinsen zu bezahlen. Verdoppelt sich die Wirtschaftsleistung, muss der Staat nur noch 50 Cent Steuern pro 100 Euro Wirtschaftsleistung einnehmen, um seine Zinsen zu bezahlen. Die Zinslast fällt. Schrumpft die Wirtschaft, sind die Zinsen dagegen zunehmend schwieriger zu finanzieren. Man kann also nicht generell sagen, dass weniger Schulden die zukünftige Zinslast senken. Es kommt sowohl auf die Höhe der inflationsbereinigten Zinsen als auch auf das Wirtschaftswachstum an.

In der heutigen Situation ist die Lage aber eindeutig: Der Zins liegt nur ganz knapp über der Inflation, und Deutschland braucht für zukünftiges Wachstum dringend Investitionen. Schuldenabbau anstelle öffentlicher Investitionen wäre aktuell alles andere als generationengerecht.

Philippa Sigl-Glöckner / Die Zeit

Lars Pålsson Syll
Professor at Malmö University. Primary research interest - the philosophy, history and methodology of economics.

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