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Impfung und Verschwörung

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Die neue Krankheit COVID-19 entwickelt sich zum Prätext für zahlreiche Vorstöße auf unser zukünftiges Zusammenleben. Der soziale Nutzen dieser Vorhaben ist höchst fraglich, ihr Schadenspotential dagegen erheblich. Mit wachsendem Nachdruck wird das Bedürfnis nach Normalität artikuliert. Die Hoffnung auf eine Rückkehr der Normalität beruht auf der Verfügbarkeit eines Impfstoffs. Dazu wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, die die Regierungen mit Milliarden unterstützten. Prominentester Vertreter dieser Rezeptur ist Bill Gates: „The only way to return the world to where it was before COVID-19 showed up is a highly effective vaccine that prevents the disease“. Damit wird der Schritt aus der Irrealität erster Ordnung in die zweiter Ordnung unternommen. Denn die

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Die neue Krankheit COVID-19 entwickelt sich zum Prätext für zahlreiche Vorstöße auf unser zukünftiges Zusammenleben. Der soziale Nutzen dieser Vorhaben ist höchst fraglich, ihr Schadenspotential dagegen erheblich.

Mit wachsendem Nachdruck wird das Bedürfnis nach Normalität artikuliert. Die Hoffnung auf eine Rückkehr der Normalität beruht auf der Verfügbarkeit eines Impfstoffs. Dazu wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, die die Regierungen mit Milliarden unterstützten. Prominentester Vertreter dieser Rezeptur ist Bill Gates:

„The only way to return the world to where it was before COVID-19 showed up is a highly effective vaccine that prevents the disease.

Damit wird der Schritt aus der Irrealität erster Ordnung in die zweiter Ordnung unternommen. Denn die Aussicht, das Virus durch Impfung besiegen zu können, ist nahezu gleich null. Es wird keine Nach-Corona-Zeit geben. Das hält auch der Virologe Hendrik Streeck für wahrscheinlich:

„Die Hoffnung auf einen Impfstoff könne sich als trügerisch erweisen. Also solle man sich darauf einstellen, mit dem Virus zu leben“.

Dies aus zwei sich gegenseitig verstärkenden Gründen: Bei den Corona- und Grippe-Viren handelt es sich – anders als bei den Erregern der klassischen „Kinderkrankheiten“ wie den Pocken, den Masern und dem Polio – um solche, deren primärer Wirt nicht der Mensch ist. Sie verfügen über umfangreiche Reservoire von primären Wirten, bei denen sie keine Krankheitssymptome auslösen und in denen sie sich durch Mutation und Hybridisierung laufend verändern. Insbesondere Viren mit RNA-Genom wie SARS-CoV-2 und die Erreger der Grippe tun dies sehr schnell.[1] Auf SARS-CoV-2 werden voraussichtlich SARS-CoV-3 und 4… folgen. Vor allem: SARS-CoV-n ist nicht der einzige Stamm von Viren und wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht der einzige bleiben, mit dem sich die Menschheit konfrontiert sehen wird.

Die Idee, solche Krankheiten exklusiv durch Impfung zu besiegen, ist ein Rezept für den wiederholten Ausnahmezustand, weil die menschliche Zivilisation eine passende Umgebung für deren Proliferation geschaffen hat:

„Mikroben, die Pandemien auslösen, sind diejenigen, deren Evolution sie so angepasst hat, dass sie die ökologischen Nischen füllen, die wir geschaffen haben. COVID-19 flammte auf und verbreitete sich, weil es sich für die Gesellschaft eignet, die wir geformt haben. Eine Welt mit fast acht Milliarden Menschen, von denen die Mehrheit in dicht besiedelten Städten lebt und die alle durch schnelle Flugreisen miteinander verbunden sind, bietet unzählige Möglichkeiten für Lungenviren. Gleichzeitig führen die demographische Expansion und die frenetische Urbanisierung zur Invasion und Zerstörung des Lebensraums der Tiere, wodurch sich das Verhältnis des Menschen zur Tierwelt verändert“.[2]

Was die obige Aufzählung nicht hinreichend detailliert, ist die industrialisierte Landwirtschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten, zwecks Anbau von Cash Crops für den Weltmarkt, immer tiefer in die letzten Naturlandschaften fraß und dadurch Arten, insbesondere Fledermäuse, in Kontakt mit Menschen brachte, die Reservoire potentiell gefährlicher Viren bilden.

Im Falle der Ebola-Epidemien in Westafrika war dieser Zusammenhang bis auf die Ebene der primären Opfer nachvollziehbar.[3] Parallel zum Vordringen der pflanzlichen Monokulturen in die Urwälder schufen die immer zahlreicher und größer werdenden Fleischfabriken tierische Monokulturen von Zwischenwirten für überspringende Erreger, in denen der massive Einsatz von Antibiotika auch noch die Bildung resistenter Bakterienstämme unterstützt.[4]

Das aktuelle Krankheitsgeschehen ist, wie seine zu erwartende Wiederholung mit neuen Pathogenen, ein Epiphänomen des Naturverhältnisses der globalen menschlichen Gesellschaft. Ein exterministisches Verständnis von Krankheitsbekämpfung wird daran scheitern.

Die Beseitigung der Infektionskrankheiten, die vor hundert und mehr Jahren auch in den Industrieländern noch nach Millionen zu zählende Opfer forderten und außerhalb derselben auch heute noch fordern, ist nur teilweise als Erfolg der Medizin im engeren Sinne zu verbuchen. Letztere steuerte grundsätzliche Erkenntnisse über die Verursachung und Verbreitung von Krankheiten und in manchen Fällen auch wirksame Gegenmittel bzw. Impfstoffe bei.

Nicht Impfung, sondern zivilisatorischer Fortschritt war die Lösung

Doch zum größeren Teil ist der Sieg über Infektionskrankheiten einer von Lohnkämpfen, sozialer Umverteilung, Gesundheitsvorschriften, Bauordnungen und Infrastrukturmaßnahmen. Pest, Cholera, Typhus und Tuberkulose forderten und fordern immer wieder massenhaft Opfer, weil öffentliche Hygiene, Ernährung und Wohnverhältnisse mit dem Wachstum der Bevölkerung – vor allem in den Verdichtungsräumen und des Verkehrs – nicht Schritt gehalten hatte und hat.

Dort, wo diese Krankheiten besiegt wurden, geschah dies nicht durch Impfung, sondern durch zivilisatorischen Fortschritt. Wenn Bill Gates behauptet, vaccines have saved more lives than any other tool in history, dann äußert er noch nicht einmal eine Halbwahrheit. Vor allem aber verbreitet er durch dessen Reduktion auf „tools“ ein instrumentalistisches Missständnis von zivilisatorischem Fortschritt.

Gesundheit ist die Folge von gesunden Lebensverhältnissen. Dazu gehören akzeptable Wohn- und Arbeitsverhältnisse, ausreichende Ernährung, sauberes Wasser, sichere Entsorgung von Abwasser und Abfall. Nicht zuletzt auch eine öffentliche Regulation und Kontrolle der dafür relevanten Faktoren sowie ein Wissen über die Zusammenhänge von Lebensverhältnissen, Lebensweise, Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung. Zur Unterstützung all dessen braucht es auch ein öffentliches Gesundheitswesen, dessen Einrichtungen in der Nähe verfügbar sind.

In weiten Teilen der Welt sind diese Faktoren nicht oder nicht mehr in ausreichendem Maße für alle Bevölkerungschichten gegeben. Von den Mängeln des Gesundheitswesens sind die Armen am stärksten betroffen. Auch in den südeuropäischen Ländern kommt zu den verschlechterten Lebensbedingungen noch der erzwungene Rückbau des öffentlichen Gesundheitssystems. In den USA ist der Zusammenhang zwischen Krankheit und Lebensqualität aktuell deutlich sichtbar an dem stark überproportionalen Anteil von Afroamerikanern unter den mit COVID-19 in Zusammenhang stehenden Opfern.

Zu klären ist allerdings noch, in welchem Maße die extreme Überrepräsentanz von Schwarzen unter den COVID-19-Toten noch weitere Ursachen hat – etwa die von Wolfgang Wodarg vermutete fehlerhafte Behandlung mit Medikamenten, die viele Menschen, die aus Regionen stammen, in denen die Malaria verbreitet ist, aufgrund eines genetischen Faktors, der eine Resistenz gegen diese Krankheit bewirkt, nicht vertragen. Hier liegt, neben Umweltfaktoren wie starker Luftverschmutzung, vermutlich auch eine Erklärung für die scheinbar stark variierende Letalität der Krankheit in unterschiedlichen Ländern.

Die Rede von Bakterien und Viren als Verursachern von Krankheiten ist also in den richtigen Zusammenhang zu stellen: Wenn mit den gleichen Mikroben eine Reihe von Krankheitsbildern unterschiedlicher Schwere und in vielen Fällen sogar keine merklichen Symptome einhergehen, dann kann von „verursachen“ eben nur bedingt die Rede sein. Die Mikroben verursachen Krankheiten, wenn ihnen unzureichende hygienische Verhältnisse dazu Gelegenheit geben und sie dabei auf geschwächte Abwehrkräfte der Infizierten treffen.

Schon bei der Spanischen Grippe lag die Zahl der Todesopfer im Verhältnis zur Bevölkerungszahl in Südasien und Afrika um eine Größenordnung höher als in den industrialisierten Ländern. Und selbst dort war eine Differenzierung nach dem Maß der Auszehrung, die sie durch den Ersten Weltkrieg erlitten hatten, erkennbar.[5]

Eine aussichtsreiche Strategie gegen die aktuelle wie auch gegen kommende Krankheiten mit Pandemiepotential muss primär darin bestehen, die Risiken, die sich aus dem Mensch-Natur-Verhältnis ergeben, durch dessen grundlegenden Umbau zu reduzieren. Weltweit sind die Lebensverhältnisse im Sinne einer erhöhten Widerstandsfähigkeit der Individuen wie der Gesellschaften zu verbessern.

Genau in diesem Zusammenhang wirkt die Fixierung auf Impfprogramme fatal. Solche Programme waren relativ erfolgreich, wenn es sich um Erreger handelte, für die der Mensch den exklusiven Wirt darstellte und gegen die eine länger anhaltende Immunisierung möglich war. Doch sie stellen keinen Ersatz für einen breiten sozialmedizinischen Ansatz dar, in dessen Rahmen die Lebensverhältnisse verbessert und das öffentliche Gesundheitswesen gestärkt werden müssen.

Beispiele wie Kuba und der südindische Bundesstaat Kerala, wo ein breit aufgestelltes, öffentliches Gesundheitswesen medizinische Erfolge ohne schwere wirtschaftliche Nebenwirkungen erzielte, zeigen die Wirksamkeit dieses Ansatzes. Die für das Gesundheitswesen zuständigen Stellen handelten in Kerala nicht mit 7-9 Wochen Verspätung, sondern unverzüglich und gezielt.

Eine weitere Schlüsselaufgabe besteht im Aufbau epidemiologischer Informationssysteme. Nahezu weltweit haben institutionalisierte epidemiologische Infrastrukturen gefehlt, die dazu in der Lage sind, rasch neu auftauchende Gefahren zu identifizieren und angemessene Gegenmaßnahmen zu unterstützen. Dieser Umstand hatte wesentlichen Anteil an den konfusen und inadäquaten Reaktionen der Staaten. Epidemiologen wie Ulrich Keil hatten den Aufbau solcher Strukturen seit Jahrzehnten gefordert, blieben damit jedoch ebenso lange ungehört. Ihr Fehlen stellte sich in der Corona-Pandemie als besonderes Stabilitätsrisiko heraus.

Provozierte Verschwörungstheorien

Die hektische Suche nach Scheinlösungen, als deren prominenteste der Impfstoff figurierte, war geeignet, die Situation zu verschlimmern. Das war der Zusammenhang, in dem die Figur von Bill Gates in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Man muss Norbert Härings Wortwahl von der „Weltregierung“ nicht übernehmen. Doch wenn hier ein Mann mit so weitreichenden Interessen und derartigen Ressourcen auftaucht – nicht allein Geld, sondern auch Reputation und Beziehungen – und diese auch einsetzt, dann ist anzunehmen, dass dieser eine Agenda verfolgt.

Seine bisherigen Aktivitäten geben Hinweise darauf, wie diese aussieht. Gates darf mit Recht als der führende Exponent eines biomedizinisch-informationstechnischen Komplexes mit ausgeprägten Beziehungen zur Finanz- und Geheimdienstsphäre gelten. Zu glauben, dass er seine Ressourcen aus bloßer Liebe zur Menschheit einsetzt, ist naiv. Im Fall von Gates und seiner Regierungen und Leitmedien umfassenden Gefolgschaft  aber ist es die offenkundige Unangemessenheit der propagierten Lösungen, die wiederum die Frage nach einer verdeckten Agenda provoziert.

Mit der Ausdünnung der staatlichen Finanzierung traten an deren Stelle Pharmakonzerne und Stiftungen. Einher damit ging der Rückbau sozialmedizinischer Programme der WHO. Unter den Stichworten „Impfstoffe“ und „Immunitätsausweis“ rückten vor allem biomedizinisch-informationstechnische Ansätze in den Vordergrund. Gates Engagement als dominanter Sponsor der WHO ist vor allem darauf gerichtet.

Wenn Regierungen nun Milliarden sammeln, um die Entwicklung von Impfstoffen zu unterstützen, an denen die Konzerne mangelnder Rendite wegen das Interesse verloren haben, dann soll wohl genau dieser Mangel behoben, d.h. die Rendite wieder gesichert werden. Massive, staatlich verordnete und gesponserte Impfprogramme wären ein Mittel dazu. Die wären – bei einer Letalität von Bruchteilen eines Prozents und asymptomatischem Verlauf bei 80% der Infizierten – nicht nur eine sinnlose Verschwendung. Sondern sie würden auch bei der Beschleunigung der Zulassungsverfahren sogar selbst ein hohes Risiko darstellen. Und bei der nächsten Genvariante des Virus oder einem ganz anderen Erreger wären sie – ebenso wie der Immunitätsausweis – weitgehend nutzlos.

Letzterer Sachverhalt begrenzt zusätzlich den Nutzen, den ein sicherer Impfstoff, den es vielleicht einmal geben könnte, hätte. Der Ansatz, den viralen Reproduktionsmechanismus auszunutzen indem man unmittelbar Fragmente der Viren-RNA als Impfstoff benutzt, um die Körperzellen zur Produktion der viralen Antigene zu veranlassen, die dann die Immunreaktion auslösen sollen, gilt als vielversprechende Innovation, die vor allem eine Beschleunigung der Impfstoffentwicklung ermöglichen soll. Sie ist bisher jedoch in der Praxis nicht hinreichend bewährt. Zudem ist unklar, welche Risiken mit solchen tiefen Eingriffen in das Zellgeschehen verbunden sein können. Es sind gerade die schwache Rationalität und das Risiko der Rezepte, die den Verdacht erregen, dass eine ganz andere Agenda verfolgt wird, und so Verschwörungstheorien hervortreiben.

Dass der Immunitätsausweis nicht nur einen weiteren Schritt hin zum gläsernen Bürger darstellen, sondern auch eine Zweiklassengesellschaft einführen würde, ist offenkundig. Auch wenn „freiwillig“, wäre er für alle, die etwa noch fliegen wollen, obligatorisch. Wenn, wie manche Pläne vorsehen, auch Unternehmen Zugriff auf den Immunitätsstatus ihrer Beschäftigten erhielten, wären wesentliche Grundrechte ausgehebelt. Nicht viel anders verhält es sich mit der Kontakt-App, die eine Rückverfolgung von Infektionswegen ermöglichen soll. Solange deren Funktion nicht transparent ist und es keine sichere Plattform für sie gibt – die gängigen Smartphone-Betriebssysteme sind nicht sicher – öffnet man damit ein Scheunentor.

Strategien der Distanz und Überwachung

Die einschlägige, durch Gates besonders prominent vertretene, Industrie, die von derartigen Vorhaben gerne noch mehr umsetzen möchte, geriet auch durch den Stopp aller gesellschaftlichen Aktivitäten in Verzückung. Jetzt schien der Moment des Durchbruchs all der schon lange beworbenen, doch bisher nur zögernd realisierten Segnungen digitaler Kommunikation gekommen. Auch hier war die Akklamation durch Medien und Politik gewährleistet. Einwände, die sich auf gute Gründe stützen können, kamen nur selten zu Wort.

Doch die Idee, das menschliche Leben – den sozialen Austausch, das Lernen, die Arbeit – ins Netz zu verlagern, also überwiegend via Telekommunikation abzuwickeln, verstößt gegen dessen biologische und soziale Konstitution. Sie riskiert, aus Angst vor der Krankheit die Menschen krank zu machen und die Grundlagen sowohl des gesellschaftlichen Zusammenhalts als auch der wirtschaftlichen Produktivität zu zerstören. Kinder benötigen zu ihrer Entwicklung und auch zum Lernen die physische Begegnung mit anderen Kindern, die Auseinandersetzung mit der stofflichen Welt und die Präsenz von Erwachsenen, die ihnen dabei Hilfe und Orientierung gewähren. In Arbeitszusammenhängen sind Telekonferenzen oft praktisch und vor allem effektiv, wenn sie zwischen Teilnehmern stattfinden, die sich schon länger auch durch physische Präsenz kennen. Doch sie sind letztlich kein Ersatz für die persönliche Begegnung in Raum und Zeit.

Interessanterweise verfahren die führenden Digitalkonzerne wie Google mit ihren eigenen Mitarbeitern genau entgegengesetzt zu den jetzt beworbenen Strategien der Distanz: sie versuchen deren Arbeitsplätze in den Büros möglichst angenehm, kommunikationsfördernd und abwechslungsreich zu gestalten, um sie zu vermehrter Präsenz dort zu motivieren. Menschen brauchen – physisch und mental – Nähe, Berührung, das unmittelbare Gespräch. Der Mangel daran macht sie krank und dumm. Konzepte, die diesen Mangel im Kern des gesellschaftlichen Systems etablieren wollen, riskieren dessen tiefe Destabilisierung.

Zwei weitere Gründe, die gegen die Verlagerung von noch mehr Aktivitäten ins Netz sprechen: Erstens der Ausbau der Kontrolle durch staatliche und private Akteure, der damit stattfindet. Zweitens der Sachverhalt, dass damit noch weitere Teil des Lebens und der gesellschaftlichen Reproduktion in die Abhängigkeit einer inhärent verwundbaren Infrastruktur geraten.

Wer, wann, wie lange, über was, mit wem kommuniziert, kann dann zentral überwacht und gesteuert werden. Ebenso, wie man sich bei der Arbeit und beim Lernen verhält. Lernplattformen protokollieren die Fortschritte der Kinder, Verkehrssysteme wie, wann und wohin man sich bewegt, telemedizinische Systeme wie man sich gesundheitlich befindet. Was man liest, an Unterhaltung konsumiert und einkauft, liegt bei elektronischer Bestellung und Bezahlung ebenfalls offen. Und bei vernetzten Smart Homes in vernetzten Smart Cities mit digital vermittelten öffentlichen Diensten und elektronisch überwachten öffentlichen Räumen gibt es bald auch keinen Winkel mehr, in den man sich unbeobachtet zurückziehen könnte.

Das ist die Quintessenz der Pläne, die New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo, beraten von Ex-Google-Vorstand Eric Schmidt, Bill Gates und anderen, gerade entwickelt. Solche Pläne sind nicht neu, stießen bisher jedoch gerade in den nordamerikanischen Metropolen auch auf entschiedenen Widerstand der Bürger. Jetzt sehen ihre Proponenten die günstige Gelegenheit für einen zweiten Anlauf gekommen und Europas Politiker und Medienleute orientieren sich gerne an diesen Vorbildern.

Dass das alles mittels einer fragilen Infrastruktur geschehen soll, die durch Softwarefehler, Cyberattacken, physische Angriffe und Naturkatastrophen gestört und außer Funktion gesetzt werden kann, wird als Vorwand dienen, die Überwachung noch umfassender zu gestalten, da man ja die Bösewichte, die das alles stören wollen, möglichst schon vorausschauend identifizieren und unschädlich machen müsste.

Die neue Krankheit COVID-19 entwickelt sich immer mehr zum Prätext für zahlreiche Vorstöße auf gesundheits-, bildungs-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischem Gebiet mit tiefen Eingriffen in die Lebensweise und einem massiven Ausbau von technischer Infrastruktur zu deren Unterstützung. Der soziale Nutzen dieser Vorhaben ist höchst fraglich, ihr Schadenspotential dagegen erheblich.


[1] Ryan, Frank (2020): Virusphere: Ebola, AIDS, Influenza and the Hidden World of the Virus. London: Colins: 101-109
[2] Snowden, Frank M. (2020): Epidemics and Society: From the Black Death to the Present. New Haven CT: Yale University Press.
[3] Snowden 2020: 477-481
[4] Wallace, Rob (2016): Big Farms Make Big Flu: Dispatches on Influenza, Agribusiness, and the Nature of Science. New York NY: Monthly Review Press.
[5] Spinney, Laura (2018): Pale Rider: The Spanish Flu of 1918 and how it Changed the World. London: Vintage: Kap. 12

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