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ver.di als identitäre Bewegung

Summary:
Die Gewerkschaft ver.di versucht seit neuestem mit Mitleid, Moral und Empörung prekäre Arbeitsverhältnisse zu regeln. Was ist das für eine Nummer? Jetzt müssen die Corona-Helden mit Migrationshintergrund dafür herhalten, dass sich ver.di Funktionäre emotional gestärkt fühlen dürfen. Nicht, dass es genügend Felder zu beackern gäbe, auf denen man ganz praktisch und zielgerichtet vieles besser machen kann und muss: Tarifbindung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Entsenderichtlinie ohne Schlupflöcher, gesetzlicher Mindestlohn mit gesamtwirtschaftlicher Wirkung, Gestaltung von stabilen Arbeitsverträgen, das Verbot von unbezahlten Überstunden, mehr und besser bezahlte Beschäftigte in den privaten und öffentlichen Dienstleistungen, etc. Das müsste fürs Ego doch reichen.

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Die Gewerkschaft ver.di versucht seit neuestem mit Mitleid, Moral und Empörung prekäre Arbeitsverhältnisse zu regeln. Was ist das für eine Nummer?

Jetzt müssen die Corona-Helden mit Migrationshintergrund dafür herhalten, dass sich ver.di Funktionäre emotional gestärkt fühlen dürfen. Nicht, dass es genügend Felder zu beackern gäbe, auf denen man ganz praktisch und zielgerichtet vieles besser machen kann und muss: Tarifbindung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Entsenderichtlinie ohne Schlupflöcher, gesetzlicher Mindestlohn mit gesamtwirtschaftlicher Wirkung, Gestaltung von stabilen Arbeitsverträgen, das Verbot von unbezahlten Überstunden, mehr und besser bezahlte Beschäftigte in den privaten und öffentlichen Dienstleistungen, etc. Das müsste fürs Ego doch reichen.

Aber was haben diejenigen von der herzzerreißenden Vorstellung, für die sich ver.di hier in Szene setzt? Die Beschäftigten vieler Dienstleistungsbranchen haben einen Migrationshintergrund, weiß ver.di und schreibt vor diesem Hintergrund:

„Applaus reicht nicht“ – das gilt deshalb auch hier: Wir brauchen gute und gesunderhaltende Arbeit für alle. Wir müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse zurückdrängen. Der Schutz durch Tarifverträge muss auch in den systemrelevanten Berufen ebenso selbstverständlich werden wie eine gute Entlohnung, Mitbestimmung und Chancen zur Weiterqualifizierung.

Das stimmt. Nur was hat das mit Migration zu tun? Und was macht ver.di jetzt ganz konkret für die migrantischen Beschäftigten? Schließlich gibt es aus guten Gründen kein spezifisch für Beschäftigte mit Migrationshintergrund kodifiziertes individuelles und kollektives Arbeitsrecht.

Identitätspolitik statt Arbeitskampf – das wär´s noch

Aber ver.di erklärt die prekären Beschäftigungsverhältnisse zu einem Migrationsproblem – oder umgekehrt, die Migranten zu einem Beschäftigungsproblem. Auf diese Tour verschiebt die Gewerkschaft ihre Verantwortung und Zuständigkeit weg von den tatsächlichen Herausforderungen.

Das mag daran liegen, dass ver.di keinen glaubwürdigen und/oder durchsetzungsstarken Partner in der politisch-parlamentarischen Arena hat. Dabei sind nicht wenige Gewerkschaftsfunktionäre in diversen politischen Parteien aktiv. Auch in den Parlamenten sitzen sie noch. Was die da wohl so treiben?

Die Erfindung und Etablierung des Niedriglohnsektor hat tatsächlich keinen direkten Migrationshintergrund. Der diente zu allererst dazu, die gesamte Arbeitswelt in old germany unter Wasser zu drücken. Im Glauben, dass dann die Unternehmen mehr investieren und Beschäftigung schaffen. Leider, leider, Fehlanzeige. Dafür waren enorme wirtschaftliche Schäden für die Herkunftsländer der Arbeitsmigranten ebenso die Folge wie ein nicht versiegender Strom von Billigarbeitern in das germanische Paradies der Lohndrückerei.

Anteilnahme statt Applaus

Warum ist all das ver.di keinen Gedanken und keine Zeile wert? Warum setzt sich die Gewerkschaft nicht mit den makroökonomischen Konditionen für schlecht bezahlte Arbeit im Inland und dem Migrationsdruck durch enorme Leistungsbilanzdefizite in den europäischen Nachbarländern auseinander?

Wenn ver.di das wirklich zum Thema machen wollte, dann müsste sie sich innerhalb des DGB mit den Exportgiganten (Leitsektorakrobaten) und den Parteirechten innerhalb der SPD mal so richtig anlegen. Doch dafür reichen die noch vorhandenen Kraftreserven offensichtlich nicht.

Viel einfacher ist es, mit breit gespreizten Armen Anteilnahme für prekär beschäftigte Migranten zu bekunden. Hier greift die besondere Genialität fehlender Analyse. Statt makroökonomischer Ursachen suggeriert sie Diskriminierung. Bemerkenswert dabei, es ist ausgerechnet die Wirtschaftsabteilung von ver.di, die sich hier mit dem Schwenk zum Identitären einen schmalen Fuß macht.

Die Abteilung für ausländische Arbeitnehmer einer Gewerkschaft würde niemals auf die Idee kommen, sich und andere Beschäftigte mit Migrationshintergrund derart zu separieren. Schließlich will man – völlig zurecht – dazu gehören als Gleiche unter Gleichen. Als gleichwertige Persönlichkeiten unter gleichwertigen guten Arbeitsbedingungen. Da will man definitiv nicht in eine exotische Ecke ausgelagert werden.

Wie mögen die Menschen mit Migrationshintergrund das aufnehmen, wenn man sie direkt mit prekären Beschäftigungsverhältnissen quer durch den gesamten deutschen Dienstleistungsdschungel in Verbindung bringt?
Müssen die sich jetzt schämen und schuldig fühlen? Erkennt man in ihnen jetzt den Grund für die prekären Verhältnisse im Inland? Womöglich erwartet man jetzt sogar von ihnen, dass sie sich für die Zustände in ihren Herkunftsländern entschuldigen, die immer noch unter dem deutschen Exportweltmeister darben.

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, all diese Menschen in einen emotionalen Zwiespalt und in eine politische Heimatlosigkeit zu treiben. Mal ganz abgesehen davon, dass es eine immer größere Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund gibt, die längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, verbietet sich jede Form der Segregation. Viele leben schon in der dritten Generation hier. Andere in der fünften oder sechsten Generation. Als Beschäftigte (viele sogar mit Tarifvertrag), als Unternehmer, als Nachbarn und als Freunde.

Wie werden die Arbeitgeber darauf reagieren, wenn sie nun mit freundlicher Empfehlung der Gewerkschaft eine ganz neue Tariffront aufmachen können? Migrant = prekär = Held! Na, vielen Dank auch. So viel Einfühlungsvermögen haben die Arbeitsmigranten sicher nicht erwartet. Durch diese Segregation schafft man einen „enormen Solidarisierungseffekt“ in den Belegschaften und in der Bevölkerung insgesamt.

Ironie beiseite. Leute, so wird das nichts. Anstatt den Spaltpilz zu geben, sollte sich ver.di besser auf die wirklichen sozioökonomischen Herausforderungen fernab von Herkunftsdebatten konzentrieren. Eine Wirtschaftsabteilung ist für eine solche Aufgabe geradezu prädestiniert.

Da lassen wir uns doch mal gerne überraschen, was bei den Sondierungsgesprächen mit den Arbeitgebern auf Bundes- und Kommunalebene Mitte Juni herausgekommen ist. Im Interesse aller abhängig Beschäftigten. Bei einem vorzeigbaren Ergebnis würde sich die multiethnische Bindekraft der Gewerkschaft sofort spürbar verbessern. Ohne dass man das extra erwähnen müsste.

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