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… auf Kosten des Steuerzahlers?

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Dr. Joachim Nanninga studierte Philosophie in Erlangen und Hamburg und hat als Erwachsenenbildner und Unternehmensberater gearbeitet. Sein besonderes Interesse gilt zur Zeit der Herausforderung, wie ökonomisches Denken für die Lehrerfortbildung fruchtbar gemacht werden kann. Er betreibt einen Blog zu wirtschaftspolitischen Themen. Die staatlichen Hilfen zur Bewältigung der Corona-Krise provozieren Rufe, dies geschehe auf Kosten der Steuerzahler. Wie berechtigt ist diese Sorge und welche Schlüsse können aus ihr gezogen werden? Die Debatte zur Frage der Staatsfinanzierung hat in der Corona-Krise den Mainstream erreicht. Woher kommt plötzlich das viele Geld, mit dem der Staat die Folgen des Shutdowns der Einschränkungen abfedern möchte? Da sich die Maßnahmen der

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Dr. Joachim Nanninga studierte Philosophie in Erlangen und Hamburg und hat als Erwachsenenbildner und Unternehmensberater gearbeitet. Sein besonderes Interesse gilt zur Zeit der Herausforderung, wie ökonomisches Denken für die Lehrerfortbildung fruchtbar gemacht werden kann. Er betreibt einen Blog zu wirtschaftspolitischen Themen.

Die staatlichen Hilfen zur Bewältigung der Corona-Krise provozieren Rufe, dies geschehe auf Kosten der Steuerzahler. Wie berechtigt ist diese Sorge und welche Schlüsse können aus ihr gezogen werden?

Die Debatte zur Frage der Staatsfinanzierung hat in der Corona-Krise den Mainstream erreicht. Woher kommt plötzlich das viele Geld, mit dem der Staat die Folgen des Shutdowns der Einschränkungen abfedern möchte?

Da sich die Maßnahmen der Regierung negativ auf das Einkommen vieler Bürger und das Betriebsergebnis vieler Unternehmen auswirken, sollen die Effekte durch staatliche Zuwendungen und Kredite abgemildert werden. Damit einher gehen die Rufe, dies geschehe auf Kosten der Steuerzahler – wenn nicht heute dann später.

Und immer wieder heißt es…

„…auf Kosten des Steuerzahlers!“ ist eine der beliebtesten Redewendungen von Journalisten. Wenn die Medien über Staatsausgaben berichten, dann meist suggestiv verpackt als schlechte Nachricht: wegen ihrer besonderen Höhe, ihres Verwendungszweckes, ihrer Empfänger, denen man nicht wohlgesonnen ist.

Dass Staatsausgaben etwas Schlechtes sind, wird weitgehend als unmittelbar eingängig empfunden. Nur zwei Beispiele unter unzähligen: „Maut-Desaster kostet Steuerzahler Millionen“ (Tagespiegel) oder „Teure Bankenrettung: Commerzbank kostet Steuerzahler noch mehr als gedacht“.

Bei Licht besehen ist der propositionale Gehalt des Mantras „… auf Kosten der Steuerzahler!“ allerdings so groß wie der der Aussage „Steuern werden von den Steuerzahlern bezahlt.“ Man kann am Beispiel des Maut-Desasters die Probe machen. So viel Schaden der Verkehrsminister auch angerichtet haben mag, wurden deshalb irgendwelche Steuern erhöht?

hätte, hätte, Fahrradkette…

Anders gefragt, unterblieb in diesem konkreten historischen Moment der Bundesrepublik eine Steuersenkung nur deshalb, weil der Verkehrsminister einen Schaden von einer halben Milliarde Euro oder mehr angerichtet hat? Oder wieder anders: Planten die Volksvertreter eine Steuersenkung in genau dieser Höhe, von der sie dann nach Kenntnisnahme des Schadens abließen?

Unsinn. Steuersenkungen werden in der Regel trotz gegebener Staatsverschuldung zugunsten der eigenen Klientel beim Blick auf die Wahltermine versprochen. Oder um inländischen Unternehmen einen internationalen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

… auf Kosten der Steuerzahler wegen der schwarzen Null?

Die letzte Möglichkeit, dem Mantra Sinn zu verleihen, ist die Existenz der „schwarzen Null“. Wenn der Staat ein bestimmtes Verhältnis seiner Ausgaben zu seinen Einnahmen willkürlich fixiert, lässt sich behaupten, dass eine wie auch immer verursachte Ausgabe zu Lasten einer ansonsten theoretisch möglichen Einnahmensenkung wirkt.

Das gilt aber für jede Ausgabe schlechthin. Genauso gut ließe sich behaupten, dass die schadenverursachte Ausgabe zu Lasten anderer erwünschter Ausgaben wirkt. Dem sogenannten Steuerzahler wäre eine Senkung der Steuern nur dann entgangen, wenn sie wirklich beabsichtigt gewesen war. Ebenso ist eine staatliche Zuwendung ihren Empfängern aufgrund eines staatlich kostenwirksamen Schadens nur dann entgangen, wenn sie geplant war und ausschließlich wegen des Schadens nicht durchgeführt wurde.

Aber genau genommen ist selbst diese These des bedauernswerten Steuerzahlers in dieser Allgemeinheit falsch. Entgangen wäre die fiktive Steuersenkung nämlich nur genau dem Kreis von Steuerzahlern, deren spezifische Steuern gesenkt worden wären, etwa den Hoteliers, nicht aber dem Steuerzahler Max Mustermann als fiktives Gesamtopfer.

Die Ironie der höheren Steuerlast

Die Belasteten sind nie die Steuerzahler allgemein. Wie bei der Steuerentlastung trifft auch eine Steuererhöhung spezifisch. Im konkreten Beispiel mit der Maut lassen sich höher Belastete sogar eindeutig benennen, obwohl an den Steuersätzen gar nichts geändert wurde. Die Ironie: Das Desaster des Verkehrsministers führt voraussichtlich wirklich zu einer höheren Steuerlast. Sie trifft genau das oder die Unternehmen, die durch das staatliche Desaster außerordentlich begünstigt sind und wegen eines zur Freude der Eigentümer gewachsenen Gewinns mehr Körperschafts- und Gewerbesteuer abführen müssen. Für sie heißt es „Hurra! Unser Betriebsergebnis verursacht höhere Steuern! Weil es beträchtlich gewachsen ist!“

Absorption der neuen Staatsschulden durch Geldsparwillen

Anhand der fiskalpolitischen Entscheidungen zur Linderung der wirtschaftlichen Corona-Folgen lässt sich nun beobachten, wie leicht sich die bislang behaupteten Budget-Restriktionen beiseiteschieben lassen, wenn es unvermeidlich wird. Der Staat verschuldet sich aktuell durch große Mehrausgaben und hohe Mindereinnahmen zusätzlich. Er verkauft zusätzliche Anleihen und sammelt damit von ihm benötigte Zahlungsmittel ein.

Mit dieser zusätzlichen Verschuldung vermehrt der Staat das Netto-Geldvermögen im nichtstaatlichen Bereich in gleicher Höhe. Dort wird genau in dieser Höhe zusätzlich in Geld gespart. Anders gesagt: Das zusätzliche private Geldsparen ist genau die Kehrseite der zusätzlichen staatlichen Verschuldung. Solange die zusätzliche Staatsverschuldung durch den Geldsparwillen im nichtstaatlichen Bereich absorbiert wird, resultieren grundsätzlich aus den neuen Schulden keine neuen Probleme.

Im Gegenteil: Der konjunkturelle Impuls, der von den zusätzlichen Schulden ausgeht, kompensiert noch nicht einmal den rezessiven Impuls des krisenbedingten Nachfragerückgangs. Von einem Anspringen der Konjunktur in einer Situation wie der gegebenen kann überhaupt nicht gesprochen werden. Von einem Schritt in Richtung des Inflationszieles der EZB von knapp zwei Prozent ebenso wenig. Ein Sprengsatz für die Eurozone ist es allerdings, wenn einzelne Mitgliedsländer bei der Begebung von Anleihen durch höhere Zinsen benachteiligt werden.

Verluste im nichtstaatlichen Bereich trotz zusätzlichem Geldvermögen

Der allgemeinere Sparbegriff der Makroökonomie umfasst nicht lediglich das Geldvermögen, sondern auch das Sachvermögen. Beides zusammen bildet das Reinvermögen. Dass im nichtstaatlichen Bereich durch die zusätzliche Corona-Verschuldung des Staates das Geldvermögen in gleicher Höhe steigt, besagt nicht, dass der nichtstaatliche Bereich im Sinne des Reinvermögens vermögender wird. Wenn zugleich das Sachvermögen in höherem Ausmaß sinkt, als das Geldvermögen steigt, kann es zu einem Reinvermögensverlust kommen.

Solche Verluste sind nicht unwahrscheinlich, wenn zum Beispiel industrielle Strukturen kollabieren und Sachvermögen in beträchtlichem Maße abgeschrieben werden muss. Ein einschlägiges Beispiel bietet auch der A380, der nicht mehr fliegen wird und dessen Teile, die bei der Ausschlachtung gewonnen werden, in der gegebenen Menge gar nicht mehr Verwendung finden können, weil die im weltweiten Flugdienst aktive Flotte des A380 dahinschmilzt, wie der Schnee in der Frühlingssonne.

Verluste im nichtstaatlichen Bereich durch Einkommensrückgänge

Corona-bedingt sinkt auch das Einkommen insgesamt. Dienstleistungen können/konnten weder erbracht noch in Anspruch genommen werden. Der Ausstoß vieler produktiver Prozesse musste heruntergefahren werden, zeitweilig auf null. Da das Einkommen gleich dem Konsum plus der Veränderung der Summe des Netto-Geldvermögens und des Sachvermögens ist, kann bei sinkendem Einkommen trotz steigenden Nettogeldvermögens das Reinvermögen sinken – genau dann, wenn der Einkommensrückgang nicht durch Netto-Geldvermögenszuwachs und Konsumrückgang aufgewogen wird. Da in einer geschlossenen Ökonomie das Netto-Geldvermögen gleich null ist, muss der Konsum um die Höhe des Einkommenrückgangs gesunken sein, wenn es nicht zum Rückgang des Sachvermögens gekommen ist.

Dieser Rückgang ist aber aufgrund der vielen Pleiten schon gegeben oder zu erwarten. Gesamtwirtschaftlich ist ein gewaltiger Schaden als Vermögensverlust eingetreten. Staatliche Hilfen als Kredit oder Zuwendung können einen Konjunkturrückgang bremsen, diese gesamtwirtschaftlichen Vermögensverluste aber keinesfalls ungeschehen machen. Die Geldvermögensumschichtung vom Staat zu den anderen Sektoren kann zurzeit viel Positives bewirken. Sie kann aber nicht den gesamtwirtschaftlichen Verlust wegzaubern.

Andererseits ist aber die zusätzliche staatliche Verschuldung nicht Teil dieses Schadens, wie weithin vermutet wird. Denn sie ist für die gesamte Wirtschaft vermögensneutral, weil sie das Geldvermögen in den anderen Sektoren wachsen lässt. Sie zählt also nicht zu diesen Vermögensverlusten.

Unternehmen sind mit Krediten allein nicht zu retten

Für eine Kreditgewährung, um Privaten oder Unternehmen aus einer Liquiditätsklemme herauszuhelfen und sie damit vor einem Insolvenzverfahren zu bewahren, müsste der Staat sich kaum zusätzlich verschulden. Er bräuchte lediglich für den Kredit zu bürgen. Tatsächlicher Aufwand und damit zusätzliche Staatschulden entstünden nur im Ausmaß des Abschreibungsbedarfs bei geplatzten Krediten. Mit einem massenhaften Platzen solcher Kredite müsste aber durchaus gerechnet werden. Ansonsten hätte es der staatlichen Bürgschaft gar nicht bedurft.

Die zusätzlichen Staatsschulden resultieren daraus, dass der Staat entweder durch vermehrte Käufe Umsatzrückgänge mindert oder indem er durch gegenleistungsfreie Zuwendungen Einkommensrückgänge oder Vermögensschäden teilweise kompensiert oder die Ausfälle bei geplatzten Krediten ersetzt. Vielen Unternehmen droht die Insolvenz derzeit nicht allein aus Zahlungsunfähigkeit, sondern wegen Überschuldung.

Kredite können allerdings eine Überschuldung nicht abwenden, denn sie sind vermögensneutral. Sie vergrößern die Kasse, allerdings in gleicher Höhe auch die Verbindlichkeiten. Umgekehrt kann eine insolvenzauslösende Überschuldung vorliegen, ohne dass Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. Die Kasse kann ausreichend gefüllt sein, aber die Gesamtheit der Verbindlichkeiten höher als die Aktiva, das gesamte Vermögen. Ein Unternehmer, der in dieser Lage kein Insolvenzverfahren einleitet, macht sich strafbar. Der Staat kann nur durch Geldgeschenke, nicht aber durch Kreditvergabe diesen Notfall abwenden.

Nur ein ausreichend starker Staat bewältigt die Krise…

Steuern werden wohl ewig gezahlt werden müssen, solange es Staaten gibt. Davon ist auszugehen, auch wenn Staaten im modernen Geldsystem ihre Ausgaben nicht mit Steuern finanzieren – aus demselben einfachen Grund, wie dies auch für alle Ausgaben der Geschäftsbanken gilt, die nämlich mit ihren Gutschriften zahlen.

Staaten müssen durch Steuern aber die Akzeptanz ihrer Währung herbeiführen. Lediglich Freunde eines schwachen Staates wünschen sich einen solchen, der keine eigene Währung hat, sondern etwa mit einer Kryptowährung arbeiten muss, die er nicht in eigener Kontrolle haben kann. Glücklicherweise haben die Freunde des Nachtwächterstaates ihr Ziel bislang nicht erreicht. Denn in diesem Fall wäre der Staat in der derzeitigen Krisenbewältigung den Erpressungen der Inhaber einer „fremden“ Währung ausgeliefert.

Die schmerzliche Abhängigkeit von fremden Kreditgebern müssen derzeit viele Staaten spüren, deren Devisenbestände dahinschmelzen und die deshalb in naher Zukunft ihren Auslandsverpflichtungen nicht mehr nachkommen oder ausländische Lieferungen nicht mehr bezahlen können.

…und zieht Steuern ein, wenn die Konjunktur es verlangt

Bei einem Kippen einer sehr guten Konjunktur in ein Überschäumen – zum Beispiel wenn Löhne durchgesetzt werden, die nicht etwa für vermehrtes Sparen, sondern voll für eine zusätzliche Nachfrage eingesetzt werden, die am Markt nicht voll befriedigt werden kann – sind zusätzliche ausgabendämpfende Steuern, zum Beispiel eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, sinnvoll. Ansonsten bewirkt eine Marktspannung zugunsten der Verkäufer das Entstehen von unerwünschter Inflation.

Diese zusätzliche Steuererhebung ist aber nicht durch die vorgängige Staatsverschuldung erzwungen, sondern durch die konjunkturelle Lage. Die konjunkturelle Bremse wird hier aufgrund zu hoher wirtschaftlicher Geschwindigkeit gezogen und muss genau diejenigen bremsen, die zu schnell fahren.

Nicht der Steuerzahler, sondern die Gesamtheit der Geld-Vermögenden

Als Ersatz für den irreführenden Spruch „… auf Kosten des Steuerzahlers!“ gäbe es folgende Alternative: „… vielleicht auf Kosten der Gesamtheit der Geld-Vermögenden, der Sparer oder Schuldner, aber nicht sehr wahrscheinlich, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit!“

Eine solche Aussage gibt die Verhältnisse viel besser wieder. Schließlich ist mit der Verschuldung der einen Seite, hier des Staates, die Netto-Sparsumme aller übrigen entstanden, das Netto-Geldvermögen der anderen Seite, nämlich der Summe aller nichtstaatlichen Wirtschafter (einschließlich fremder Staaten). Sollte der Staat seine Verschuldung erfolgreich reduzieren, wäre im gleichen Zug das Netto-Geldvermögen im Rest der Welt in gleicher Höhe reduziert.

Diese Geldvermögensreduktion muss nichts Nachteiliges sein. Wenn die Verzinsung eines Geldvermögens unterhalb der Inflationsrate liegt, also bei negativer Realverzinsung, besteht eigentlich ein Anlass, sein Vermögen nicht als Geld, sondern in geeigneten Sachwerten zu halten, wenn diese ihren Wert behalten, wertvoller werden oder sonst wie einen Nutzen erbringen. Eine Netto-Geldvermögensreduktion im nichtstaatlichen Bereich, die sich mit der Schuldenreduktion beim Staat in identischer Höhe vollzieht, ist keineswegs mit einem Sinken des Reinvermögens des nichtstaatlichen Bereichs identisch. Wenn die Netto-Investitionen der privaten Haushalte und der Unternehmen das Ausmaß der staatlichen Schuldenreduktion übersteigen, steigt auch das gesamtwirtschaftliche Reinvermögen.[ii]

Da die Schuldenreduktion des Staates erst zu dem Zeitpunkt sinnvoll, wenn nicht möglich ist, wenn die Eigner des Geldvermögens dieses in ausreichender Menge für Konsum oder Investitionen ausgeben, so dass die Inflation über das gewünschte Maß hinauszuschießen droht, kann man mit dem Programm staatlicher Einnahmenüberschüsse getrost warten.


[i] Der finale Ausgabenüberschuss des Eigentümers eines positiven Netto-Geldvermögens ist für natürliche Personen immer sein endgültiger Wechsel in den Zustand des Erblassers.
[ii] Unter der Bedingung, dass der Staat sein Sachvermögen nicht verrotten lässt.

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