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Verhältnismäßigkeitsprüfung – Eine Posse in drei Akten

Summary:
Die unkonventionelle Geldpolitik der EZB hat die Inflationsrate nicht steigen lassen, aber enorme Verteilungswirkungen gezeitigt. Man fragt sich daher, warum nicht seit Jahren über die Verhältnismäßigkeit dieser Politik debattiert wird. Die EZB liefert nun eine Antwort, die so ulkig ist, dass sie schon wieder Angst macht.  Wie ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Staatsanleihekäufen der EZB (PSPP) zu werten? Mein erster Gedanke war – schädlich. Denn die Finanzierung, der mit der Coronakrise verbundenen explodierenden staatlichen Ausgaben, darf auf keinen Fall an den unsinnigen Regeln des Euroraums scheitern. Das sogenannte „Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)“ setzt faktisch alle diese Regeln außer Kraft. Da es aber strukturell dem PSPP

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Paul Steinhardt writes Die Verhöhnung der Demokratie – ein Stück in drei Akten

Die unkonventionelle Geldpolitik der EZB hat die Inflationsrate nicht steigen lassen, aber enorme Verteilungswirkungen gezeitigt. Man fragt sich daher, warum nicht seit Jahren über die Verhältnismäßigkeit dieser Politik debattiert wird. Die EZB liefert nun eine Antwort, die so ulkig ist, dass sie schon wieder Angst macht.

 Wie ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Staatsanleihekäufen der EZB (PSPP) zu werten?

Mein erster Gedanke war – schädlich. Denn die Finanzierung, der mit der Coronakrise verbundenen explodierenden staatlichen Ausgaben, darf auf keinen Fall an den unsinnigen Regeln des Euroraums scheitern. Das sogenannte „Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)“ setzt faktisch alle diese Regeln außer Kraft. Da es aber strukturell dem PSPP ähnelt, könnte auch dieses Programm von fiskalpolitischen Falken unter politischen Beschuss kommen.

Nach der ersten Lektüre des Urteils drängte sich mir ein weiter Gedanke auf – ärgerlich. Denn das Gericht hatte geurteilt, es handele sich beim PSPP nicht um die in der Eurozone verbotene monetäre Staatsfinanzierung. Ein kurzer Blick auf die Bilanz der EZB reicht aus, um diese Behauptung als absurd auszuweisen. Für viele Euroländer ist die EZB inzwischen zum größten Gläubiger geworden. Ärgerlich aber auch deshalb, weil die Richter in der Urteilsbegründung ordoliberale Fiktionen mit der Realität verwechseln. Noch viel ärgerlich, weil sie auf dieser Basis einem Marktfundamentalismus huldigen, der sich in Aussagen wie der Bahn bricht, dass „die Mitgliedstaaten bei ihrer Verschuldung der Marktlogik unterworfen bleiben“ sollten.

Keine dieser Bewertungen ist falsch. Dennoch ist das Urteil als ein Meilenstein zur Verteidigung der Demokratie gegen einen „autoritären Wettbewerbsetatismus“ zu werten. Denn verlangt wird von den Richtern aus Karlsruhe, dass Bundesregierung und Bundestag „auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Europäische Zentralbank hinwirken“. Das Gericht erkennt damit an, dass Entscheidungen einer Zentralbank mit einer solchen Machtfülle wie der EZB, unabdingbar einer gewissen Kontrolle durch majoritäre staatliche Organe bedürfen.

Um sich die kaum zu überschätzende Bedeutung des Urteils vor Augen zu führen, ist noch einmal an den mit dem PSPP verbundenen Machtzuwachs der EZB zu erinnern: Die EZB steuert mit den Ankäufen die Renditen von Staatsanleihen und bestimmt damit den fiskalpolitischen Handlungsspielraum gewählter Regierungen mit. Das PSPP hat auch, wie Martin Höpner richtig festhält, enorme „wirtschafts- und sozialpolitische Auswirkungen auf Bereiche, die im  Kompetenzbereich der Mitgliedsländer“ liegen. Beispielhaft nennt er dafür die Altersvorsorge, Immobilienpreise und Sparzinsen.

Die von nahezu allen deutschen Parteien mit Zähnen und Klauen verteidigte Unabhängigkeit der EZB, ist daher mit demokratischen Grundsätzen nicht in Übereinstimmung zu bringen. Ganz besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die EZB so unabhängig ist, wie keine andere Zentralbank der Welt. Die „Unabhängigkeit“ selbst der Deutschen Bundesbank, deren Modell der EZB Pate stand, so Susanne K. Schmidt und Philip Manow, war wesentlich begrenzter, weil „lediglich einfachgesetzlich verankert“. Und weiter:

„Man kann davon ausgehen, dass sich die Bundesbank dessen ähnlich gewahr war, wie das BVerfG die Grenzen seines Tuns kennt.“

In anderen Worten: Verhielte sich eine nationale Zentralbank so wie die EZB, würde ihrer Unabhängigkeit durch die „Volksvertreter“ rasch ein Ende bereitet. Die Unabhängigkeit der EZB dagegen ist in Stein gemeißelt. Denn ihren Status zu verändern, erfordert, dass alle Euromitgliedsländer sich darauf einigen, über welche Macht die EZB verfügen und welchen staatlichen Organen gegenüber sie rechenschaftspflichtig sein sollte.

Der „Selbstermächtigung der EZB“ wurde mit Urteil des BVerG eine Grenze gezogen. Das ist nicht viel, aber besser als nichts. Nicht viel, weil auch dann, wenn Regierungen und Parlamente der Mitgliedsländer die Begründungen der EZB für nicht plausibel befinden würden, sie über keine Mittel verfügen, die EZB auf eine andere Politik zu verpflichten. Besser, weil eine transparente Folgekostenabschätzung ihrer Politik zumindest die Chance eröffnet, öffentlich darüber zu diskutieren, welche Interessen die EZB hinter geschlossenen Türen bedient und welche sie dabei ignoriert.

Der Posse erster Akt

Die EZB sollte daran interessiert sein, zumindest den Anschein zu erwecken, eine Zentralbank aller ihrer Mitgliedsländer zu sein. Da die Aufforderung des BVerfG die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, in der Realität lediglich auf eine Art von Informationspflicht der EZB gegenüber Regierung und Parlament hinausläuft, hätte man erwarten dürfen, dass die EZB ohne viel Aufhebens dieser Pflicht nachkommt.

Doch weit gefehlt. Es durfte wohl auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden, die EZB habe irgendeine Verpflichtung gegenüber den Repräsentanten des deutschen Wahlvolks. Deshalb hat die EZB ein „Informationspaket“ nicht etwa an den Bundestag, sondern an die Deutsche Bundesbank geschickt. Die ist Teil des Europäischen Zentralbankensystems und damit eben auch „unabhängig“. Ein politisches Statement also, was man bei der EZB von gewählten Regierungen und Parlamenten hält.

Die Bundesbank hat dann den als vertraulich eingestuften Dokumentenpack an Finanzminister Scholz weitergereicht. Nachdem dieser sich eine Genehmigung des EZB-Rats (sic!) eingeholt hatte, durfte er die Geheimdokumente an den Bundestag weitergeben. Deutlicher kann man nicht machen, wer Chef im Ring ist und was die EZB unter Transparenz versteht.

 Der Posse zweiter Akt

Inzwischen sind vier der sieben Dokumente – wenn auch teilweise stark geschwärzt – einsehbar. Ausführungen, die auf eine detaillierte Verhältnismäßigkeitsprüfung zu schließen erlaubten, fand ich nicht. Die noch weitestgehende „Prüfung“ der Verhältnismäßigkeit findet sich im jüngsten „Public Account vom 3. und 4. Juni 2020und liest sich dort so:

„Dementsprechend seien das PEPP und das APP unter den aktuellen Bedingungen zur Verfolgung des Preisstabilitätsziels verhältnismäßig. Bei der Ausgestaltung dieser Programme seien genügend Sicherheitsmechanismen eingebaut worden, um mögliche negative Nebenwirkungen, einschließlich des Risikos einer fiskalischen Dominanz, zu begrenzen und dem Verbot der monetären Finanzierung Rechnung zu tragen.“

Irritierend ist, dass diese Zusammenfassung der „Prüfung“ in etwa so lang und aussagekräftig ist wie die „Prüfung“ selbst. Typisch für die Art des Prüfungsprozesses der EZB sind ihre Aussagen zu den negativen Folgen ihrer Politik für Kleinsparer:

„Der signifikante gesamtwirtschaftliche Effekt der Wertpapierankäufe trage zu einem Anstieg der Löhne und der Beschäftigung bei und komme somit dem verfügbaren Einkommen und dem Konsum der Privathaushalte zugute.“

Noch Fragen? Na ja, mag der eine oder andere schüchtern einwenden: Was ich sehe, ist, dass die Preise für finanzielle Vermögenswerte explodiert sind und selbst die Coronakrise den Aktienmärkten nichts anhaben konnte. Ist das nicht vielleicht ein untrügliches Zeichen dafür, dass die EZB-Politik eine riesige Aktienblase produziert hat? Und ist der Misserfolg ihrer „unkonventionellen Geldpolitik“ nicht dadurch belegt, dass die EZB ihrem Inflationsziel keinen Schritt näher gekommen ist?

Wer so fragt, zeigt einfach nur, dass er nicht verstanden hat, „dass der Ankauf von Vermögenswerten ein bedeutendes Instrument ist, mit dem die Geldpolitik über eine Reihe von Transmissionskanälen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und letztlich auch die Inflationsergebnisse beeinflussen“ kann.

Gegen ein solches „Können“ kann die Empirie selbstverständlich rein gar nichts ausrichten. Denn, wer felsenfest überzeugt ist, dass man mithilfe von Zinssenkungen die Inflationsrate erhöhen kann, der weiß apriori, dass ohne die Anleihekaufprogramme die Inflationsrate noch niedriger gewesen wäre. Klar, so gibt man zu, ist eine solche „kontrafaktische Situation“ nur schwer zu „modellieren“. Aber „es gebe zahlreiche Belege dafür, dass es der Wirtschaft des Euroraums ohne die geldpolitischen Impulse der Wertpapierkäufe wesentlich schlechter ergangen wäre“.

Wie ich an anderer Stelle schon dargelegt habe, ist nicht nachzuvollziehen, wie denn Zinssenkungen die behauptete enorme Wirkung auf die Wirtschaftsentwicklung haben können. Vor allem aber, wenn der Zins schon bei 0 liegt, wie muss man sich dann die weiteren positiven Effekte der „Transmission der Geldpolitik auf die Zinssätze für private Haushalte und Unternehmen“ genau vorstellen?

Um zu „belegen“, dass die „Geldpolitik“ der EZB selbstverständlich alternativlos ist, wird man an verschiedenen Stellen immer wieder auf den „Gleichgewichtszinssatz“ oder „natürlichen Zins“ hingewiesen. Der sei „weltweit gesunken“ und habe die EZB zur „Akkommodierung“ durch ein „bestimmtes Leitzinsniveau“ faktisch gezwungen.

Der „natürliche Zins“, so erfährt man von der Deutschen Bundesbank, ist der Zins, der sich auch in einer „Welt ohne Notenbank einstellen“ würde. Und zwar so:

„Dessen Höhe ergäbe sich unter anderem aus der Konsum- und Sparneigung der Haushalte, aus der Investitionsbereitschaft der Unternehmen und aus der Neigung der Wirtschaftssubjekte, Risiko zu tragen oder Vermögen unkompliziert in Liquidität umwandeln zu können.“

Zentralbanker wissen natürlich, welcher Zins in einer Welt ohne Zentralbanken sich einstellen würde. Da viele Wirtschaftssubjekte nicht über solch außerordentliche Fähigkeiten verfügen, verkünden sie diesen Zins in einer Form, die Unkundige als ein Setzen des Zinssatzes missverstehen. Wird dann die „Transmission der Geldpolitik“ aufgrund von allen möglichen Störfaktoren verhindert, kann der Marktzins für Unternehmen und Haushalte wohl höher als der natürliche Zins sein. Deshalb muss nun die EZB selbstverständlich mit entsprechenden Wertpapierkäufen dafür sorgen, dass solche „Marktfehler“ korrigiert werden.

Beim Wissen um die Höhe des natürlichen Zinses handelt es sich selbstverständlich um ein ganz besonders spezielles Wissen:

„Als theoretisches Konstrukt lässt sich der natürliche Zins nicht messen, es bedarf vielmehr bestimmter Annahmen über den Zusammenhang zwischen messbaren Größen und natürlichem Zins, um letzteren quantifizieren zu können.“

Das „theoretische Konstrukt“ selbst wiederum basiert auf dem Glauben, man könne auf der theoretischen Ebene von monetären Phänomenen absehen. So erklärte z.B. schon Knut Wicksell einen Kredit und seine Rückzahlung „theoretisch“ wie folgt: „Kredit ‚in natura‘ als Borg, um dann Löhne. Grundrenten u.s.f. gleichfalls in natura zu zahlen und am Ende der Produktion aus seinen fertigen Erzeugnissen direkt oder nach Tausch gegen andere Güter […] die empfangenen Naturdarlehen zurückzuerstatten“. (S. 131)

In diesem Wonderland der Ökonomen sind Zinsen Kompensationszahlungen für Investitionen ermöglichende Sparanstrengungen. Sind Negativzinsen dann Ausweis dafür, dass der Konsum zu einer solchen Last geworden ist, dass nun die Kreditnehmer für die Übernahme dieser Bürde bezahlt werden müssen? Wer noch nicht durch das Hasenloch der Mainstreamökonomie gefallen ist, hat an dieser Stelle offensichtlich Grund sich zu wundern.

Der Posse dritter Akt

Wie lässt sich in Wonderland erklären, dass um der Herrschaft des natürlichen Zinses den Weg zu ebnen, es solch unnatürlicher Handlungen wie dem PSPP bedarf? Die Antwort im „Public Account“ liest sich wie folgt:

Eine Ausweitung des PEPP werde dazu beitragen, die Zinsstrukturkurve für Staatsanleihen stärker an die risikofreie Kurve anzupassen. Dies wiederum werde die Transmission der Geldpolitik auf die Zinssätze für private Haushalte und Unternehmen unterstützen, soweit die Staatsanleiherenditen als Richtwert für die Bepreisung von Krediten und marktbasierten Kreditinstrumenten dienten.“

Behauptet wird – wenn wir großzügig das „soweit“ ignorieren – damit dreierlei. Es bedarf (1) als Richtwert der Bepreisung von kommerziellen Krediten risikoloser Assets. Als solche Assets dienen (2) in der wirklichen Welt Staatsanleihen. (3) Sinkt der Zinssatz von Staatsanleihen, dann sinkt auch der Zins für kommerzielle Darlehen.

Die folgende Grafik zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Renditen von Staatsanleihen und Zinsen von Bankdarlehen wohl nicht ganz so einfach ist, wie in der EZB-Publikation nahegelegt wird.


Verhältnismäßigkeitsprüfung – Eine Posse in drei Akten


Dafür gibt es eine recht einfache Erklärung. Der Großteil der Finanzierung von Unternehmen und Haushalten in Europa erfolgt noch immer vorwiegend über kommerzielle Darlehen von Banken – und daher nicht über Anleihemärkte. Das von einer Zentralbank beeinflussbare Zinsniveau aber vergrößert noch verkleinert die Kosten einer Bank in einem solchen Ausmaß, dass die Banken mit entsprechenden großen Anpassungen ihrer Kreditzinsen reagieren müssten.

Das Argument der EZB für den Ankauf von Staatsanleihen steht also schon an dieser Stelle auf sehr wackeligen Beinen. Aber selbst wenn es so einfach wäre, stellt sich noch immer die Frage, warum Renditen von Staatsanleihen der Euroländer an die risikofreie Zinskurve mithilfe des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB „angepasst“ werden müssen.

Die Antwort ist nach dem Gesagten offensichtlich: Weil die Investoren für (manche) Euroländer Risikoaufschläge verlangen. Der Grund dafür ist auch bekannt: Weil die „europäischen Institutionen“ am Beispiel von Griechenland und Zypern ein Exempel statuiert hatten. Die EZB hatte zugelassen, dass Inhaber griechischer Staatsanleihen zu Abschreibungen gezwungen waren, um den Finanzmärkten deutlich zu machen, dass sie die Risiken eines Zahlungsausfalls bei Mitgliedsländern der Eurozone einpreisen müssen.

Dass die Renditen von Staatsanleihen im Eurogebiet sich unterscheiden, ist also politisch gewollt. Die Mitgliedsländer sollen der „Marktdisziplin“ unterworfen werden. Das Problem ließe sich also sehr leicht beseitigen. Die EZB muss schlicht und einfach, wie andere Zentralbanken auch, als Kreditgeber der letzten Instanz fungieren. Dann sind Staatsanleihen risikolos und der genannte Grund für deren Ankauf entfällt.

Eine Lösung des Problems, das die EZB, aber ausdrücklich ablehnt, wie man in einem internen Dokument der EZB aus dem Jahr 2014 erfährt. Darin wird als ein Problem von Staatsanleihekäufen erwähnt, dass die Zinsdifferenzen zwischen Euroländern eingeebnet werden könnten. Um zu vermeiden, dass darunter „incentives for reform“ und „prudent fiscal policies“ leiden, werden ausdrücklich „conditionalites“ ins Spiel gebracht.

Solche Konditionalitäten sind im Fiskalpakt formuliert, setzen aber der EZB per se keine Grenzen für den „schädlichen“ Ankauf von Staatsanleihen. Um zu verhindern „dass die Geldpolitik ins Fahrwasser der Finanzpolitik der Länder gerät“, so wird jetzt im „Public Account“ hervorgehoben, seien „Limitrahmen und „Kapitalschlüssel unerlässliche Sicherheitsmechanismen“. Ergo, es ist zu erwarten, dass die Renditen von Staatsanleihen sich wieder auseinander entwickeln.

Die Moral von der Geschicht‘ …

bringen Susanne K.Schmidt und Philip Manow in ihrem oben schon erwähnten Artikel treffend wie folgt auf den Punkt:

„Stellvertretend für die ausbleibende politische Selbstverständigung Europas müssen sich nun diese zwei nicht-majoritären Institutionenkomplexe (gemeint sind die EZB und das EuGH), denen man das „ever-closer“ mangels eines politischen Konsenses stillschweigend überlassen hat, gegenseitig stützen. Dass es nicht gut gehen kann, wenn man das, was die Politik nicht zustande bringt, allein den abstrakten Steuerungsmedien Recht und Geld überantwortet, könnte man wissen. Es ist eben ideologisch zu denken, die Politik ließe sich in dem rein Ökonomischen oder rein Juristischen völlig zum Verschwinden bringen.“

Was die Situation noch vertrackter macht: Das EuGH orientiert sich, wie ihr Urteil zu den Anleihekäufen belegt, gar nicht mehr am Recht, sondern an den Beteuerungen der EZB. Die „unkonventionelle Geldpolitik“ aber basiert überwiegend auf geldwirtschaftlichen Fiktionen, die es noch nicht einmal erlauben, über die Verhältnismäßigkeit dieser Politik eine rationale Diskussion zu führen.

Aber sollte man nicht über all diese Tatsachen gerade jetzt den Mantel des Schweigens ausbreiten? Gefährdet man sonst nicht das PEPP, das die Euroländer befähigt, auf die Coronakrise fiskalpolitisch zu reagieren? Die Antwort ist ein entschiedenes „nein“ und „ja“. Ja, jede Einschränkung der Geldschöpfungsfähigkeit der EZB verringert die Handlungsspielräume der Regierungen der Euroländer. Nein, denn im Rahmen der EU wird der Handlungsspielraum immer so begrenzt bleiben und mit der Auflage von „Strukturreformen“ verbunden sein, dass eine am Gemeinwohl orientierte Wirtschaftspolitik nicht möglich ist.

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