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Das Problem mit der kapitalgedeckten Rente

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Dirk Bezemer ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Groningen im Fachbereich Internationale Finanzentwicklung. Er war Forscher am Imperial College London und arbeitete unter anderem als Politikberater für die britische Regierung. Er informiert regelmäßig das Repräsentantenhaus und verfasst politische Berichte für die OECD, die Weltbank, die UNCTAD und das UNDP. Von den rund 31 Milliarden Euro an Rentenzahlungen pro Jahr gehen 8,4 Milliarden Euro an Vermögensverwalter in London und New York und an den niederländischen Rentensektor. Dieses Geld kann viel besser ausgegeben werden. Nachdem die niederländische Gewerkschaft FNV letzte Woche dem von langer Hand geplanten Rentenabkommen nicht zugestimmt hatte, erschien im Fernsehen ein sehr

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Dirk Bezemer ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Groningen im Fachbereich Internationale Finanzentwicklung. Er war Forscher am Imperial College London und arbeitete unter anderem als Politikberater für die britische Regierung. Er informiert regelmäßig das Repräsentantenhaus und verfasst politische Berichte für die OECD, die Weltbank, die UNCTAD und das UNDP.

Von den rund 31 Milliarden Euro an Rentenzahlungen pro Jahr gehen 8,4 Milliarden Euro an Vermögensverwalter in London und New York und an den niederländischen Rentensektor. Dieses Geld kann viel besser ausgegeben werden.

Nachdem die niederländische Gewerkschaft FNV letzte Woche dem von langer Hand geplanten Rentenabkommen nicht zugestimmt hatte, erschien im Fernsehen ein sehr mürrischer Wouter Koolmees. Als Minister für Soziales und Arbeit ist die Rente sein Hobby, und er hat jahrelang daran gearbeitet. In dem Abkommen wird der fiktive Rechnungszinssatz gestrichen, Abschläge werden jetzt vermieden, kommen aber später hinzu, das Versprechen einer sicheren Rente muss daher aufgegeben werden. Ich glaube, viele Leute verstehen nicht ganz genau, warum wir uns damit zufrieden geben sollten.

Was im Abkommen unterdessen ungenannt bleibt, sind die Kosten des gegenwärtigen Systems. Im Laufe der Zeit haben die Niederlande bis zum Doppelten des Bruttoinlandsprodukts in den Rententopf gespart, mehr als jedes andere Land. Das muss alles „verwaltet“ werden. Schließlich ist das Kapitaldeckungssystem so aufgebaut, dass wir unser Geld zunächst auf den Finanzmärkten anlegen, bevor wir es als Rente an uns selbst auszahlen. Von den rund 31 Milliarden Euro an Rentenzahlungen pro Jahr werden 8,4 Milliarden Euro als Verwaltungskosten (eine Milliarde), Boni (zwei Milliarden) und der Rest an „Transaktionskosten“ ausgezahlt. Diese Zahlen stammen von Martin ten Cate – genauer: aus seinem Buch Wo ist meine Rente? Wie unser Rentensystem Ihre Rente untergräbt.

So geht ein Viertel dessen, was Rentner erhalten, an Vermögensverwalter und -berater. Diese Boni landen am Ende bei vielleicht tausend Menschen, durchschnittlich zwei Millionen pro Person, und Sie können sich darauf verlassen, dass die Beträge für die Führungsetage sich noch mehr bereichern wird. Alles nur für unsere Rente.

Die Alternative zu einem kapitalgedeckten System ist ein umlagefinanziertes System. Wir zahlen unsere Renten ohne Intervention der Kapitalmärkte aus, direkt von den Arbeitnehmern an die Rentner. Die staatliche Rente wird auf diese Weise finanziert; und sie kostet nur einhundert Millionen pro Jahr an Verwaltungskosten.

Um das riesige Sparschwein herum hat sich ein Sektor entwickelt

Es gibt eine Reihe von Gründen, ernsthaft über mehr (viel mehr) Veränderungen nicht nur bei den niederländischen Renten nachzudenken. Die Niederlande haben „lange Bilanzen“: eine hohe Verschuldung und viele Vermögenswerte, darunter auch die riesigen Pensionsvermögen. Infolgedessen bewegt sich die Wirtschaft heftig mit den Finanzmärkten. Es macht uns verwundbar, wie wir in der langen Stagnation 2009-2014 gesehen haben – kein anderes reiches europäisches Land stagnierte so lange.

Ein zweiter Grund ist der Zinssatz. Allen Erwartungen zufolge wird er für sehr lange Zeit sehr niedrig oder sogar negativ bleiben. Dadurch wird der Vorteil der kapitalgedeckten Rente vollständig eliminiert.

Und der dritte Grund sind die hohen Kosten. Ten Cate rechnet vor, dass wir mit einem Umlagesystem eine sichere Rente in Höhe von 70 % des Einkommens leisten könnten. Auf den Einwand, dass dies bei einer alternden Bevölkerung nicht tragbar sei, antwortet er mit den demographischen Projektionen der niederländischen Statistikbehörde Centraal Bureau voor de Statistiek (CBS). Seiner Meinung nach würden zehn Prozent des Rententopfes, den wir jetzt haben, ausreichen, um einen „Alterungsschub“ zwischen 2030 und 2050 zu überbrücken – wenn es im Vergleich zur Zahl der älteren Menschen nur noch wenige Erwerbstätige geben wird.

Das Buch wurde im September 2019 an der Universität Nyenrode in Anwesenheit von Minister Koolmees und Vertretern des Rentensektors vorgestellt. Sein Inhalt wurde weitgehend ignoriert – es gab kaum Diskussionen.Der Minister reagierte verhalten. Die Reaktionen der Rentenexperten nach der Pause waren nichtssagend. Für ein Buch, das einen so grundlegenden Punkt anspricht, war diese lauwarme Reaktion erstaunlich. Es ist verständlich, dass der durchschnittliche Niederländer bei Deckungsquoten und Umlagesystemen ein wenig verwirrt dreinschaut, aber wir sprechen hier über die Reaktion von Fachleuten.

Inhaltlich sehr merkwürdig, aber durchaus verständlich, wenn man bedenkt, wohin diese 8,4 Milliarden an Kosten gehen. An Vermögensverwalter in London und New York, aber auch an den niederländischen Rentensektor. Ja: Um dieses riesige Sparschwein ist ein Sektor entstanden. Minister Koolmees spricht nie ernsthaft über ein Auslaufen des Kapitaldeckungssystems, sondern setzt sich mit dem Rentensektor an einen Tisch… der vom Kapitaldeckungssystem lebt. Er hat also kein Umfeld, das ihm erlauben würde, die Probleme unbefangen zu analysieren.

Der Minister sollte daher hauptsächlich mit unabhängigen Makroökonomen sprechen. Dann könnten wir die 8,4 Milliarden besser ausgeben. Ich denke auch, dass der Minister dann selbst sehr viel glücklicher sein wird, weil er ihm Lösungen für reale Probleme präsentiert werden.

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