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Kaufen Sie Antirassismus!

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Nachdem L’Oréal erklärt hat, künftig Aufheller nicht mehr Aufheller zu nennen, scheint sich die Welt wieder ein bisschen mehr vom Rassismus befreit zu haben. Oder stimmt das Gegenteil? Die Welt wird eine andere sein, wenn man künftig in IT-Unternehmen intern nicht mehr von einer »Blacklist« oder dem »Master« spricht. Darauf haben sich einige Unternehmen aus jener Branche geeinigt. Sie möchten antirassistische Strukturen schaffen und meinen das wörtlich. Also buchstäblich im wörtlichen Sinne. Das macht was mit der Weltsicht – aber vermutlich nur mit der Sicht. An der Welt selbst ändert sich nichts. Doch weil es darum auch nicht wirklich geht, zog L’Oréal nach. Aufheller wird es beim französischen Kosmetikhersteller nicht mehr geben. Denn sich dunkle Haut aufhellen

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Nachdem L’Oréal erklärt hat, künftig Aufheller nicht mehr Aufheller zu nennen, scheint sich die Welt wieder ein bisschen mehr vom Rassismus befreit zu haben. Oder stimmt das Gegenteil?

Die Welt wird eine andere sein, wenn man künftig in IT-Unternehmen intern nicht mehr von einer »Blacklist« oder dem »Master« spricht. Darauf haben sich einige Unternehmen aus jener Branche geeinigt. Sie möchten antirassistische Strukturen schaffen und meinen das wörtlich. Also buchstäblich im wörtlichen Sinne. Das macht was mit der Weltsicht – aber vermutlich nur mit der Sicht. An der Welt selbst ändert sich nichts.

Doch weil es darum auch nicht wirklich geht, zog L’Oréal nach. Aufheller wird es beim französischen Kosmetikhersteller nicht mehr geben. Denn sich dunkle Haut aufhellen zu wollen: Das flankiert ja den vermeintlichen Makel nicht weißer Haut. Es ist im Grunde das traurige Geschwisterkind des ››Blackfacings‹‹, dem man hier dem Kampf ansagt. Neudeutsch auch ››Blackfishing‹‹ genannt. Hinzuzufügen ist jetzt nur noch, dass L’Oréal auch weiterhin Hautcremes und Puder zu diesem Zwecke anbieten wird. Nur werden sie halt nicht mehr »Aufheller« heißen.

Struktureller Antirassismus

Ist das nun Fortschritt? Nein. Als solcher sind Aktionen wie diese auch nicht angelegt. Es soll so aussehen, als würden Unternehmen etwas tun, die Sorgen und Nöte ihrer Kunden und Nutzer realisieren – oder sogar ernstnehmen. Mit was fängt man da am besten an? Mit symbolischer Anteilnahme. Was immer schon gut funktioniert hat: Einfach den Namen ändern. Das kostet nichts – oder nur sehr wenig – und wirkt so, als habe man das Problem erkannt und ausgemerzt.

Wenn man aber gesellschaftliche Movements hat, die mit einer inszenatorischen Ikonographie ausgestattet sind, wie eben jene, die sich um Floyd George rankt, dann kann man sich noch billiger ins Szene setzen. James Dimon, CEO von JPMorgan Chase & Co., ließ sich neulich knieend an George gedenkend vor einem begehbaren Stahlsafe ablichten. Stilecht positionierte er neben sich einen dunkelhäutigen Angestellten. Zwei weitere Angestellte sollten vermutlich Hispanics symbolisieren. Frauen mit dunklen langen Haaren sind auch zu sehen.

Dass ausgerechnet JPMorgan immer wieder mit Diskriminierungsklagen zu tun hat, muss ja die Fotogenität vor dem Safe nicht belasten. In den Chefetagen der Bank rekrutieren sich indes nur drei Prozent aus nichtweißen Gesellschaftsgruppen. Vermutlich nur eine Randnotiz im Kampf für das Moralische. Im Herzen gehört man doch zu den Guten – und zu den Guten gehören wir ja bekanntlich alle.

Der moralische Rigorismus ist heute keine Entität mehr, mit der man besonders im linken Milieu hausieren geht. So war das vielleicht in den Sechzigern, auch in den Achtzigern noch, als man aus diesem politischen Lager heraus mit moralischer Überlegenheit argumentierte. Der Moralismus ist in die Mitte gesuppt, hat das liberale Justemilieu erfasst und damit auch die Unternehmenswelt. Das Gute ist zu einem Label, zu einem Verkaufsargument mutiert. Dass es nur das »scheinbar Gute« ist, ein strukturelles Kokettieren mit dem, was wir als gut und richtig betrachten, blendet die Mitte der Gesellschaft gerne aus.

Ja, keine Frage, es gibt einen strukturellen, einen institutionellen Rassismus. In den Vereinigten Staaten sicherlich weit mehr als in der Bundesrepublik. Auf dieser Grundlage wird Ungleichheit und Ausgrenzung nicht als Zufallsprodukt hingenommen, sondern forciert und als legitim betrachtet. Die Reaktionen, die sich in unserer narzisstischen Selfie-Gesellschaft jedoch auf solche Vorfälle ergeben, sind nicht minder strukturell bedingt.

Anstand und Moral to go: Eine Werbestrategie

Man kann also durchaus von einem strukturellen Antirassismus sprechen, der auf Klickzahlen schielt, Follower generieren und Likes erzeugen will. Diese Haltung ergibt sich aus der Struktur sozialer Netzwerke, die als Währung dieser Aufmerksamkeitsökonomie fungieren. Bei Unternehmen, die in solchen Netzwerken präsent sind – und das sind heute alle –, spricht man weniger von Narzissmus als von Marketing.

Bei Facebook, Instagram und Co. inszeniert man sich als Marke – und natürlich, wie heute üblich, auch als Lebensgefühl. Alte Werbeversprechen, die eine Ware anpreisen oder eine Dienstleistung als einzigartig deklarieren, ziehen heute nicht mehr. Heute »befreundet« man sich mit der Kundschaft. Und man rückt ihr auf den Pelz, indem man darstellt, dass man als Unternehmen doch ganz ähnlich tickt, wie sie. Man erzählt den Kunden, dass man doch auch in dieser Welt lebe und dieselben Probleme habe – den Klimawandel zum Beispiel.

Der war im letzten Jahr urplötzlich das Thema der Werbung. Wer verkaufen wollte, musste klimatisch werben. Sogar CO2-neutrale Handys wurden angeboten. Und Flixbus bot an, Fahrgäste zur nächsten Klima-Demo zu fahren. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen warnte bereits im April 2018: »Immer mehr Firmen präsentieren ihre Produkte in Anzeigen und auf Plakaten als klimafreundlich, klimaneutral oder klimaschonend. Ob es sich um ehrliche Information oder Etikettenschwindel handelt, können Verbraucher oft nicht erkennen.«

Zuletzt hat man solche ››Corperate Responsibility‹‹ im Zuge der Corona-Krise erlebt. Da wurde die Fürsorge gegenüber Mitarbeitern und Kundschaft entdeckt. Nicht still und leise etwa. Nein, man betonte sie natürlich. Große Unternehmen warben mit ihrer Rücksichtnahme und Wertschätzung menschlichen Lebens und betonten nebenher den Zusammenhalt – gerade so, als wäre unsere Arbeitswelt ein Paradies und nicht etwa ein Haifischbecken.

Solche Botschaften gehen nicht ohne Kalkül über die Bühne. Sie stellen eine neue Form von Marketing dar, ethische Propaganda, die der Ware oder Dienstleistung einen Stil verleiht, mit dem man sich als Kunde inhaltlich identifizieren kann – weil man das Gute, das Wahre und das Schöne ja schätzt und liebt. Wer mit solchen Attributen für sich wirbt, der holt die Kundschaft nicht nur in Verkaufsräume, der formt aus ihr eine Werte-Bubble, eine Blase, die gemeinsame Ideale und Vorstellungen suggeriert – und so an sich bindet.

Diskriminierung mit Zartgefühl

Dieses vermeintliche Anthropozän ist in Wahrheit ein Zeitalter des Moralismus. Wer ihn ihm bestehen will, der muss mit ihm Schritt halten. Und wer in ihm Umsätze machen möchte, sollte mindestens verstehen, wie er mit diesem Zeitgeist zu kokettieren hat. Muss ihn bedienen, mit Content füllen – nicht etwa mit Aufrichtigkeit, mit Authentizität, wie man das heute im Soziologensprech nennt. Ohnehin war das nie die Bastion der Werbung.

Natürlich wirkt diese werbespezifische Haltung der Unternehmen auch auf die Gesellschaft ein, potenziert den allgemeinen Konsens, dass das Gute auf dem Vormarsch zu sein hat; mindestens aber einen Kampf gegen die Mächte des Bösen, gegen Klimaleugner, Globalisierungsverlierer, Trump-Anhänger oder die AfD etwa auszutragen habe. Denn wenn jetzt sogar die Kapitalisten anfangen, auf das Gute zu setzen, dann muss dieser Kampf der Korrekten ja eine historische Berechtigung haben.

Ob dabei ein aufrichtiges Projekt für eine bessere Zukunft entsteht, darf stark bezweifelt werden. Diese Form von politischer Korrektheit gebiert nicht faireren Umgang, mehr Verständnis und Toleranz. Im Gegenteil: Es rekrutiert sich daraus ein Glaubenskrieg.

»[Die political correctness] ist entstanden, um die Toleranz und die Anerkennung aller religiösen, ethnischen und sexuellen Unterschiede zu fördern, aber sie entwickelt sich immer mehr zu einem neuen Fundamentalismus, der in fast ritueller Weise die Alltagssprache durchdringt und sich zum Schaden des Geistes an den Buchstaben klammert. Inzwischen darf man den Blinden notfalls auch diskriminieren, solange man nur das Zartgefühl hat, ihn einen »Nichtsehenden« zu nennen, und vor allem darf man diejenigen diskriminieren, die sich nicht an die Regel der political correctness halten.«

So beschrieb Umberto Eco diesen Auswuchs unserer Zeit in seiner Schrift »Der ewige Faschismus«. Für ihn war diese sonderbare Form der moralistischen Sprachfixierung nicht mehr als eine oberflächliche Auseinandersetzung mit tatsächlich relevanten Problemen. Ein Narzissmus eben, der es dem modernen Menschen erlaubt, sich besser zu fühlen, ohne tatsächlich besser sein zu müssen. Das klappt letztlich so gut, dass man damit werben kann. Moral im Konsumismus: letzten Endes auch nur eine Ware …

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