Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Ökonomenzunft geladen, um über das Konjunkturpaket zu urteilen. Die Ratschläge selbst vermeintlich progressiver Ökonomen lassen einen aber mit großer Sorge in die Zukunft schauen. Die Politik hat verstanden, dass der Staat – Schuldenbremse hin oder her – mit einem Konjunkturpaket „der Wirtschaft“ nun unter die Arme greifen muss. Der Haushaltsausschuss des Bundestags stellt sich – wie das in einem demokratischen Gemeinwesen sein sollte – die Frage, ob die angedachten bzw. schon erfolgten staatlichen Ausgaben zielführend sind. Um auf diese schwierige Frage eine Antwort zu finden, hat der Haushaltsausschuss eine Reihe von Ökonomen um Rat gebeten. Interessant ist die Mehrzahl der eingereichten Stellungnahmen nicht aufgrund
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Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Ökonomenzunft geladen, um über das Konjunkturpaket zu urteilen. Die Ratschläge selbst vermeintlich progressiver Ökonomen lassen einen aber mit großer Sorge in die Zukunft schauen.
Die Politik hat verstanden, dass der Staat – Schuldenbremse hin oder her – mit einem Konjunkturpaket „der Wirtschaft“ nun unter die Arme greifen muss. Der Haushaltsausschuss des Bundestags stellt sich – wie das in einem demokratischen Gemeinwesen sein sollte – die Frage, ob die angedachten bzw. schon erfolgten staatlichen Ausgaben zielführend sind.
Um auf diese schwierige Frage eine Antwort zu finden, hat der Haushaltsausschuss eine Reihe von Ökonomen um Rat gebeten. Interessant ist die Mehrzahl der eingereichten Stellungnahmen nicht aufgrund dessen, was darin gesagt wird, sondern vielmehr was nicht gesagt wird.
Wer hätte schon vom Wirtschaftsweisen Volker Wieland erwartet, dass er ein Konjunkturpaket begrüßt? Gelangweilt liest man daher, dass der Multiplikatoreffekt öffentlicher Investitionen kleiner 1 sei – staatliche Ausgaben also ein Verlustgeschäft sind. Und freilich macht er sich Sorgen um die wachsenden Schuldenberge, denn „längerfristig sei von deutlich höheren Zinsen auszugehen“.
Angesichts solcher sich unablässig wiederholender Fake-News freut man sich sogar, dass Clemens Fuest statt einer inhaltlichen Bewertung sich weitgehend damit begnügt, auf die Ergebnisse seines „makroökonomischen Simulationsmodell, einem DSGE-Modell“ zu verweisen. Der „Aufschlag auf die Jahreswachstumsrate des preisbereinigten BIP“ betrage für das Jahr 2020 exakt 0,2%. Allerdings ist für die folgenden zwei Jahre mit einem „Abschlag“ von jeweils 0,1 Prozentpunkten zu rechnen. Interessant ist das freilich nicht, weiß man ja schon lange, dass die Ökonomen sich nicht mehr mit der Realität beschäftigen, sondern sich an Glasperlenspielen erfreuen.
Was die Stellungsnahmen interessant macht, ist die Stellungnahme von Friederike Spiecker. Sie ist tatsächlich in der Runde von sieben Ökonomen die Einzige, der klar zu sein scheint, dass man zunächst einmal das Problem benennen muss, bevor man über die Angemessenheit von Lösungen befinden kann.
Was also ist nach ihrer Meinung das Kardinalproblem für die deutsche Wirtschaftsentwicklung? Sie hält zunächst einmal fest, dass Deutschlands Wirtschaftsentwicklung hochgradig abhängig von seinen Exportüberschüssen ist. Da aber der Wirtschaftseinbruch bei den wichtigsten deutschen Handelspartnern enorm ist und die deutschen Konjunkturpakete keinen direkten Einfluss darauf nehmen können, ist mit einer „starken negativen Korrektur“ zu rechnen. Was nichts anderes heißt, als dass Menschen in den betroffenen exportorientierten Branchen in Kurzarbeit bleiben bzw. sogar arbeitslos werden.
Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind aber, wie sie ausführt, nicht nur ein „Krisenindikator“, sondern „Krisenverstärker“. Menschen, die in Kurzarbeit oder arbeitslos sind, verfügen über ein geringeres Einkommen. Sie werden daher weniger Konsumgüter nachfragen und das „drückt auf die Binnennachfrage.“ Darüber hinaus werden Menschen aus Sorge um ihre Arbeitsstelle mehr sparen und bereit sein, auf Lohn zu verzichten.
Das Problem, das die Politik primär zu adressieren hat, ist daher Einkommensniveaus von Lohnabhängigen zu stabilisieren, um einem deflationären Prozess zu verhindern. Vor diesem Hintergrund fordert Spiecker u.a. politische Maßnahmen, wie die „Verlängerung des […] erhöhten und vereinfacht zu beantragenden Kurzarbeitergeldes für die nächsten 2 Jahre“.
Darüber in den Stellungnahmen ihrer Kollegen kein einziges Wort. Im Gegenteil. Tom Krebs belehrt uns, dass die „Stimulierung des Konsums“ aus dem Baukasten „traditioneller Fiskalpolitik“ kommt. In den neuen Zeiten brauchen wir aber „moderne Antworten“. Der Maßstab für konjunkturpolitische Maßnahmen müsse daher ihr Beitrag zu einem „Transformationssprung“ hin zu einem „klimafreundlichen und sozial ausgewogenen Wachstumspfad“ sein. Fragt sich nur, was „sozial“ heißen soll, wenn man das Thema der Arbeitslosigkeit und der Lohnentwicklung überhaupt nicht adressiert.
Claudia Kempfert vom DIW möchte sich auch nicht mit so altmodischen Themen wie einer Lohndeflation auseinandersetzen. Ganz oben auf ihrer Agenda steht die „Transformation hin zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit“. Es stellt sich aber die Frage, wie es mit der Realisierbarkeit solcher Zukunftsvisionen aussieht, wenn man mit der weiter zunehmenden Rückkehr der sogenannten sozialen Frage konfrontiert wird.
Krebs und Kempfert dürften gemeinhin dem Lager der „progressiven“ Ökonomen zugerechnet werden. Was belegt, dass die Lohnabhängigen vom sogenannten progressiven politischen Lager nicht allzu viel erwarten dürfen.
Aber gibt es da nicht noch die Gewerkschaften, die für die Sache der Lohnabhängigen kämpfen? Man hofft es, und liest daher mit einer gewissen Erwartungshaltung die Stellungnahme von Achim Truger – von dem Mann, den die Gewerkschaften gegen einigen Widerstand seiner orthodoxen Kollegen in den Sachverständigenrat gehievt haben.
Immerhin will Truger „Verfestigungs-Effekte bei Arbeitslosigkeit und Kapitalstock“ vermeiden. Eine „Stimulierung des privaten Konsums“ findet er zwar für sinnvoll, kein Wort aber darüber, welche Rolle dabei Löhne und Lohnersatzleistungen notwendig spielen müssen. Das ist schon deshalb mehr als bedauerlich, weil die sogenannte Arbeitgeberseite schon wieder nach „Lohnzurückhaltung“ ruft, „um die Beschäftigung zu sichern und im internationalen Wettbewerb keinen Nachteil zu haben“.
Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum ein Mann der Gewerkschaft angesichts steigender Arbeitslosigkeit nicht auf die Idee kommt, die Rücknahme von Hartz-IV und eine Anhebung von Mindestlöhnen zu fordern. Sieht er möglicherweise die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Stabilisierung gerade der unteren Einkommensklassen nicht?
In diesem Zusammenhang habe ich mir ungläubig die Augen gerieben, als ich folgenden Satz las:
„Damals wie heute waren und sind dauerhafte diskretionäre Steuersenkungen ebenfalls nicht angebracht.“
Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, ist eine Mehrwertsteuersenkung aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive nicht nur unabdingbar geboten, sondern auch die einfachste Maßnahme, um die effektive Nachfrage zu beleben. Sicher, die jetzt befristete Senkung der Mehrwertsteuer ist weitgehend wirkungslos und spätestens bei ihrer jetzt schon angekündigten Erhöhung sogar schädlich. Aber eine dauerhafte und großzügige Reduktion wird insbesondere untere Einkommensschichten finanziell entlasten und die Wirtschaftsentwicklung in relativ kurzer Frist befeuern.
Die Ratschläge selbst vermeintlich progressiver Ökonomen an in ihrer übergroßen Mehrheit volkswirtschaftlich ahnungslose Politiker, laden also wahrlich nicht zu einem optimistischen Blick in die Zukunft ein.